Meine Houston-Reise mit der Band PHIL
Donnerstag, 9. Dezember 2021

Raus um 5.30 Uhr. Wenn man dann mal seine 7 Sachen gepackt hat stellt man wie so oft irgendwann fest, dass die 8te Sache noch fehlt. Kurzum: Es ist aufregend, wie vor jeder Reise. 😉

Gen‘ Norden

Myriam fährt mich nach Freiburg zum Bahnhof. Anfahrt nach Freiburg und Abfahrt des ICE funktionieren erstaunlich gut. Bei der Fahrt durch Denzlingen winke ich noch kurz meinen Kolleginnen, dann gehts erst mal ab Richtung Norden. Ich habe mir für wenige EUR Aufpreis ein erster Klasse Ticket gegönnt. Gut gemacht, Herr V. Das Gespann ist so gut wie leer und der Kaffee wird serviert.

Um etwa 10.30 Uhr werde ich mich mit dem Großteil der Band in Flughafen Frankfurt treffen. Der Abflug ist geplant auf 13.50 Uhr. Ankunft in Houston ca. 18 Uhr Ortszeit, bei 7 Stunden Zeitunterschied. Der Flug wird etwa 10 Stunden dauern. Voraussichtlich werde ich viele Zeit zum Lesen, Schreiben und fürs Nickerchen haben.

Vom Bahnsteig direkt zum Checkin. Ich komme sofort an die Reihe. Der Koffer wiegt gerade mal 14 Kilo. Also kann ich da drüben für 9 Kilo oder umgerechnet 18 Pfund Jeans und Schuhe kaufen. Läuft! Kurz darauf kommt der Rest der Kapelle. Nach dem Checkin geht’s direkt zum Gate, wo wir uns noch ein Essen beim Italiener mit Aussicht aufs Rollfeld gönnen. Danach zum Flugzeug und Platz genommen. And so I‘ll be In The Air Tonight. Mein Platz könnte schlechter sein. Ich sitze am rechten Mittelgang. Rechts neben mit ein italienisch sprechendes Pärchen und ein Fenster. Links neben mir Markus, der bei Phil für die Videotechnik und Fotomaterial zuständig ist und davor Sänger Jürgen the Phil. Die Beinfreiheit habe ich mir schlimmer vorgestellt. Für eine ausgedehnte Yoga-Stunde wird’s vermutlich aber nicht reichen.

Lift off nahezu pünktlich um etwa 14:00 Uhr.

Well I′ve been waiting for this moment for all my life

[Phil Collins ‚In The Air Tonight 1981]

15:00 Uhr: Die 777 ist auf Arbeitshöhe angekommen. Die Passagiere zappen sich durch ein reichhaltiges Angebot internationaler Spiel- und Musikfilme. Da ist für jeden Geschmack und Intellekt etwas dabei. Für mich leider nicht. Mein Bildschirm ist halbtot. Selbst zwei Reanimationsversuche des Bordpersonals helfen nicht. So darf ich neidisch unserem Sänger Jürgen über die Schulter schauen, der sich genüsslich Bohemian Rhapsody reinzieht 😠 Aus Protest verzichte ich auf das kulinarische Angebot der Bordküche und lasse mich mit „dansk vand“, stillem Wasser, volllaufen.

Als weitere Alternativen widme ich mich dem Blog und über den Kopfhörer den Aufnahmen vom Konzert ’10 Jahre Clap‘, das ausgerechnet mit ‚The Lamb Lies Down On Broadway‘ startet. Holla, war das ein geiler Abend, damals in der Köndringer Moschti.

16:05 Uhr: Austreten. Bei der Gelegenheit kann ich mal so richtig aus dem Fenster schauen. Unter der dünnen Wolkendecke sind hohe schneebedeckte Berge zu erkennen. Schottland. Wir verlassen Europa und machen uns auf den langen Weg über den Atlantik.

17:22 Uhr: Wir streifen Island. In etwa einer Stunde überfliegen wir Grønland. Sollten wir notlanden, könnte ich mich als Dolmetscher anbieten.

18:20 Uhr: „Fasten your seat belt“. Der Vogel wird einige Male ordentlich durchgeschüttelt. Die Bildschirme zeigen an, dass wir Grønland erreicht haben und es aktuell in 10662 Metern Höhe überqueren. Die Achterbahn ist nur von kurzer Dauer und in mir beschleicht sich das Gefühl, dass der Europapark Ambitionen hat, nach Norden zu expandieren. Beim großen M. weiß man ja nie.

Alles in allem hatte ich bisher aber eine sehr angenehme Reise und sowohl Anflug als auch Landung laufen ab wie am Flugsimulator.

1:07 Uhr: „Welcome to Houston, George Bush International Airport“. Wir eilen zur Passkontrolle, was in den USA nicht heißt, dass mal schnell der Pass kontrolliert wird. Da geht es erstens recht robust zu, was die Ansage an die Einreisewilligen seitens der Homeland Security angeht. Zum anderen bekommt man da ganz schön viele Fragen gestellt. Ob ich geschäftlich oder privat einreise, wie lange ich bleiben möchte, ob ich in der Stadt bleibe. Irgendwann überlege ich mir, ob ich dem jungen Mann meine E-Mail-Adresse geben soll. Er kann mir dann in Ruhe seine Fragen schreiben und ich kann dann genauso ruhig antworten. Als könne er Gedanken lesen, hat er dann die Fragerei gelassen und mich mit dem Abnehmen von Fingerabdrücken und dem Aufnehmen eines Foto beschäftigt. Offenbar hatte sich auch hier herumgesprochen, dass eine Herde Rockstars erwartet wird.

Nach dem Foto ist dann endlich Ende Gelände und ich darf erstmals in die USA einreisen oder im wahrsten Sinne des Wortes einmarschieren. Der Rest der Band macht dasselbe Prozedere ebenfalls erfolgreich durch. Koffer sind auch alle da. Geschafft! Am Ausgang begrüßen uns John, seine Verlobte Ashley und seine Mutter Andrea. John hat uns engagiert und ist unsere Kontaktperson in Houston. Er stammt aus Karlsruhe und arbeitet im Management der Firma, für die wir am Samstag vor der Southern-Rock-Band „Blackberry Smoke“, einem internationalen Act, die Weihnachtsfeier rocken werden. Da wir in den Staaten sind, sprechen wir wohlgemerkt nicht von einer Weihnachtsfeier im Nebenzimmer eines Gasthofes, auf der es gemischten Braten mit Kroketten gibt und zum Anheizen der Unterhaltung Schrott gewichtelt wird.

Wenn man aus dem 3 Grad kalten Baden und aus einem klimatisierten Flugzeug und Flughafen kommend die Tür nach Texas aufmacht, geht einem erst einmal die Lunge zu. Wummmm! Es ist 19 Uhr, Winter, dunkle Nacht und Houston begrüßt uns mit 25 Grad und einem schwülwarmen Wind. Ich fühle mich wie in einer Augustnacht am Gardasee.

Down And Out

[Genesis ‚Down And Out‘ 1978]

John fährt uns im klimatisierten Kleinbus zum etwa 15 Minuten entfernten Hotel. Wir checken ein, machen uns kurz frisch und schon geht es weiter nach „River Oaks“, einem besseren Stadtviertel, wo wir zum Abendessen in ein Steakhouse eingeladen sind. Schon alleine der Weg dort hin ist spannend. Wir machen kurz an einem Park mit atemberaubender Sicht auf die Skyline von Housten halt. Kurzes Fotoshooting. Ich mache ein Selfie vor der Skyline, das aussieht, als stünde ich vor einer Leinwand. Ja, auch mir kommt das alles sehr surreal vor.

In River Oaks wird Bescheidenheit offenbar eher klein geschrieben. Die Weihnachtsbeleuchtungen in den Vorgärten schlucken nach meinen groben Schätzungen etwa die elektrische Leistung, die in Philipsburg erzeugt wird – pro Straßenzug wohlgemerkt. Auf der Fahrt lernen wir, dass Houston momentan rund 4,5 Millionen Einwohner hat. Nach meiner Rechnung demnach knapp so viele wie Danmark. Hold kæft er den store. Das Steakhouse ist in jeder Hinsicht fein. Unser Kellner ist ein Beziehungsmensch erster Klasse, der sein Handwerk wirklich versteht und zudem ein absolut filmreifer Typus ist. Vielleicht sehen wir ihn eines Tages auf der Leinwand. Nach einem total leckeren Essen – Thank you, John! – fahren wir zurück ins Hotel und suchen ausnahmslos das Heiabettchen.